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Nazar Arab steht vor einer Straßenbahn. Er hat schwarze, kurze Haare, hat die Hände in den Taschen und trägt ein dunkelblaues T-Shirt der Leipziger Gruppe.
Foto: Leipziger Gruppe

Best Practice VBG-Teilhabepreis 2023Wie die LSVB einem Mitarbeiter zurück ins Arbeitsleben halfen

Sein Arbeitsplatz sind die belebten Straßen von Leipzig. Nazar Arab ist einer von 650 Straßenbahnfahrerinnen und Straßenbahnfahrern in der Stadt. Er macht seinen Job mit Herzblut und Leidenschaft. Und musste einen schweren Rückschlag wegstecken: einen Unfall, der fast das Ende seiner Tätigkeit als Tramfahrer bedeutet hätte. Doch Nazar Arab fand mithilfe seines Arbeitgebers den Weg zurück ins Berufsleben. Für seine beispielhafte Wiedereingliederung in das Unternehmen würdigte die VBG die Leipziger Stadtverkehrsbetriebe (LSVB) mit dem Teilhabepreis 2023.

„Wenn das Unternehmen nicht mitspielt, dann nutzt sogar die beste Berufsgenossenschaft  nichts, weil das ein partnerschaftliches Verhältnis sein sollte“, sagt Christoph Meyer, Beauftragter des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) der LSVB. „Es wird  Dinge geben, die nicht nach Schema F ablaufen, für die es eventuell kreative Lösungen braucht. Wir sind offen für neue Wege, wollen Dinge auch einfach mal ausprobieren“, so Meyer. Am Beispiel von Nazar Arab bewiesen die LSVB, dass sich ihr BEM sehen lassen kann. Durch das schnelle Einbinden des BEM-Beauftragten konnten das Wissen und die Kontakte sofort genutzt werden. Die LSVB zeigte hierbei, dass sie auch bei wiederholten Hindernissen situationsangepasste Lösungen finden kann.  

Nazar Arab sitzt am Steuer einer Straßenbahn und lächelt in die Kamera

Nazar Arab ist seit 2020 bei der Leipziger Gruppe als Straßenbahnfahrer beschäftigt.

Foto: Leipziger Gruppe

Nazar Arab kommt aus dem Irak und begann 2020 seine Arbeit bei den LSVB. Am 27. Juli 2021 war er am Steuer einer Tram der Linie 16 unterwegs. Der Arbeitstag begann unspektakulär. Nach dem Fahrgastwechsel an der Haltestelle Wilhelm-Liebknecht-Platz fuhr Arab in Richtung Leipziger Hauptbahnhof. An einer Baustellenampel passierte es dann: Ein Radfahrer bog unerwartet auf das Gleis ab und kollidierte mit der Straßenbahn. Arab bremste sofort, konnte den Zusammenstoß jedoch nicht mehr verhindern. Er kümmerte sich um den leicht verletzten Radfahrer und informierte die Verkehrsleitstelle. Nach dem Unfall wurde Arab für den Rest des Tages von der Arbeit freigestellt, seine Schicht war für diesen Tag beendet.  

Die Nachwirkungen des Vorfalls zeigten sich Arab allerdings einige Tage später: Da überkamen den damals 29-Jährigen Gefühle von Angst und Unsicherheit, die so stark waren, dass er seine Schicht abbrechen musste. Arab sagt, dass die Leiterin des Fahrdienstes sofort gehandelt hat. Für die folgenden drei Dienste wurde ihm sofort ein erfahrener Fahrtrainer zur Seite gestellt. Doch es half nichts: Arab wurde in den Wochen darauf immer unsicherer und schließlich sogar fahruntüchtig. 

„Ich hatte wirklich Angst, dass ich meine Arbeit verliere. Für diesen Job habe ich hart gearbeitet und viel gelernt. Und dann ist dieser Unfall passiert. Ich lag nachts wach und habe mich selbst gefragt: Kann ich irgendwann wieder eine Straßenbahn fahren?“, sagt Arab. Zu Hause wäre ihm „die Decke auf den Kopf gefallen. Eine Krankschreibung wäre deshalb keine Lösung gewesen. Die LSVB überlegte nicht lange und sagte Arab eine Weiterbeschäftigung zu. Die VBG und das Unternehmen erarbeiten schließlich gemeinsam einen Plan, um ihm dies zu ermöglichen. Vorübergehend wurde Nazar Arab an anderer Stelle eingesetzt, sodass er weiter zur Arbeit gehen konnte und Teil des Unternehmens blieb. Nach einer Auszeit von fünf Wochen, die er in seiner Heimat Irak verbrachte, war Arab klar, dass er seine Stelle als Straßenbahnfahrer trotz allem weiterhin ausüben wollte.

„Die LSVB setzen sich intensiv dafür ein, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach Unfällen oder gesundheitlichen Herausforderungen eine umfassende Unterstützung und Rehabilitation anbieten zu können“, sagt Christoph Meyer. Durch eine enge Zusammenarbeit mit den Betroffenen werde nach individuellen Lösungen gesucht, um den Arbeitsplatz bestmöglich anzupassen und eine erfolgreiche Rückkehr in den Beruf zu ermöglichen. „Es ist wichtig, dass die Betroffenen alles aus einer Hand bekommen, weil sie ringsum andere Probleme und Sorgen haben“, erklärt Meyer. Auch wenn nicht alle Zeichen darauf hindeuteten: Die LSVB machte sich den Wunsch von Nazar Arab zu eigen und handelte nach der Überzeugung, dass die Tätigkeit als  Schienenbahnfahrer wieder möglich ist. Hier bestand die Herausforderung für die LSVB vor allem darin, Verständnis für Arabs psychische Erkrankung zu entwickeln. Sein Fall erforderte nicht nur medizinische Behandlung, sondern auch Vertrauen, eine verbesserte  Selbstfürsorge und die Schaffung eines umfassenden Unterstützungssystems. Der Erfolg seiner Eingliederung beruhte vor allem auf der engen Zusammenarbeit zwischen ihm, seinem Reha-Manager der VBG und den LSVB, die davon getragen wurde, dass das Unternehmen nicht daran zweifelte, dass Arab seine Ängste überwinden könne. Sie sollten recht behalten.  

Für Uwe Wünschmann, Reha-Manager der VBG, lautet die entscheidende Frage in einem Fall wie dem Nazar Arabs: „Ist jemand nach so einem psychischen Trauma wieder in der Lage, eine verantwortungsvolle Tätigkeit zu übernehmen?“ Die Psyche dürfe man nicht unterschätzen, sagt der Reha-Manager. „Deswegen ist es gut, und es ist auch ein wichtiger Erfolgspunkt, dass die Parteien Hand in Hand arbeiten.“ Auch wenn ein Umbau des Arbeitsplatzes, wie er bei Arbeitsunfällen mit körperlichen Folgeschäden nötig werden kann, für Nazar Arab nicht erforderlich war, musste dennoch eine Vielzahl von Vorbereitungen getroffen werden. Im Zuge des Maßnahmenplans bekam Arab Fahrstunden mit persönlicher Betreuung und führte gleichzeitig ein Tagebuch, in dem er seine Gedanken festhielt und so nach und nach lernte, sie zu verarbeiten. Zusätzlich begleitete ihn eine Therapeutin.

Nazar Arab steht in einer leeren Straßenbahn und entwertet ein Ticket. Man sieht ihn von der Seite.

Eine Krankschreibung war keine Lösung für Nazar Arab. Die Leipziger Gruppe setzte ihn vorübergehend an anderer Stelle ein.

Foto: Leipziger Gruppe
Nazar Arab steht in einer leeren Straßenbahn und entwertet ein Ticket. Man sieht ihn von der Seite.

Eine Krankschreibung war keine Lösung für Nazar Arab. Die Leipziger Gruppe setzte ihn vorübergehend an anderer Stelle ein.

Foto: Leipziger Gruppe

Für Uwe Wünschmann, Reha-Manager der VBG, lautet die entscheidende Frage in einem Fall wie dem Nazar Arabs: „Ist jemand nach so einem psychischen Trauma wieder in der Lage, eine verantwortungsvolle Tätigkeit zu übernehmen?“ Die Psyche dürfe man nicht unterschätzen, sagt der Reha-Manager. „Deswegen ist es gut, und es ist auch ein wichtiger Erfolgspunkt, dass die Parteien Hand in Hand arbeiten.“ Auch wenn ein Umbau des Arbeitsplatzes, wie er bei Arbeitsunfällen mit körperlichen Folgeschäden nötig werden kann, für Nazar Arab nicht erforderlich war, musste dennoch eine Vielzahl von Vorbereitungen getroffen werden. Im Zuge des Maßnahmenplans bekam Arab Fahrstunden mit persönlicher Betreuung und führte gleichzeitig ein Tagebuch, in dem er seine Gedanken festhielt und so nach und nach lernte, sie zu verarbeiten. Zusätzlich begleitete ihn eine Therapeutin.

Alles, was ich brauchte, wurde mir genehmigt. Jeder hat sich gefreut, als ich Fortschritte in meiner Genesung gemacht habe, und man hat mir alle Wege für eine Wiedereingliederung geöffnet.
Nazar Arab

Ein nicht zu unterschätzender Faktor bei der Wiedereingliederung seien laut Wünschmann Nazar Arabs Wille und Bereitschaft gewesen, alles für seine Arbeitsstelle, seine Familie und den Beruf zu tun. Diese Eigenschaften hätten einen entscheidenden Beitrag zum positiven Gesamtbild geleistet. 

Eine erfolgreiche stufenweise Wiedereingliederung erfolgte etwa elf Monate nach dem Unfall. Über deren Art und Umfang wurde zuvor in Absprachen zwischen der Therapeutin, dem behandelnden Arzt und der VBG entschieden. Dabei wurde auch die betriebliche Situation berücksichtigt. Vor dem Hintergrund des erheblichen Zeitraums seit Arabs letztem  eigenverantwortlichen Fahrdienst war es von entscheidender Bedeutung, seine Fähigkeiten und Sicherheit im Straßenbahnbetrieb einer erneuten intensiven Untersuchung zu unterziehen. 

Nazar Arab steht in einer leeren Straßenbahn. Er hält sich mit beiden Händen an den Metallstäben fest und lächelt in die Kamera.

Nazar Arab geht heute wieder mit Leidenschaft seiner Arbeit nach.

Foto: Leipziger Gruppe

Nach Abschluss der stufenweisen Wiedereingliederung wurde Nazar Arab als gesund und einsatzfähig eingestuft. Er arbeitet wieder mit Freude an seiner Stelle. Um seine  Wiedereingliederung zu unterstützen, wurden ihm vorerst weniger verkehrsreiche Strecken zugeteilt. Außerdem arbeitet er nur tagsüber. Für diese Unterstützung ist Arab seinem Arbeitgeber sehr dankbar: „In diesem Bereich waren alle bei der VBG und LSVB richtig toll. Alles, was ich brauchte, wurde mir genehmigt. Jeder hat sich gefreut, als ich Fortschritte in meiner Genesung gemacht habe, und man hat mir alle Wege für eine Wiedereingliederung geöffnet.“

Die erfolgreiche Wiedereingliederung von Nazar Arab macht deutlich, dass mentale Gesundheit genauso wichtig ist wie körperliche und dass es möglich ist, trotz großer Herausforderungen ins alte Berufsleben zurückzukehren. Diese beispielhafte Geschichte lädt dazu ein, Vorurteile abzulegen und eine inklusive Arbeitskultur zu fördern. Denn letztendlich kann die Unterstützung durch den Arbeitgeber den entscheidenden Unterschied bei der Wiedereingliederung machen.

5 Fakten zum Teilhabepreis der VBG

  • Die VBG rief den Teilhabepreis 2021 ins Leben. Er richtet sich an Mitgliedsunternehmen der VBG und wird alle zwei Jahre vergeben. Bewerbungen sind online möglich: www.vbg.de/teilhabepreis
  • Der Teilhabepreis zeichnet Unternehmen aus, die mindestens einer oder einem Beschäftigten die berufliche und/oder soziale Teilhabe nach einem Arbeits- oder Wegeunfall oder einer Berufskrankheit durch besondere Maßnahmen ermöglicht haben.
  • Mit dem Preis will die VBG zeigen, wie wichtig ganzheitliche und nachhaltige Teilhabe ist, und Anstrengungen auszeichnen, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen.
  • Das Preisgeld beträgt insgesamt 15.000 Euro. Ein Einzelpreis ist auf 5.000 Euro begrenzt. Die guten Praxen werden mit einer Urkunde inhaltlich gewürdigt und öffentlichkeitswirksam bekanntgemacht.
  • Die Jury des Teilhabepreises setzt sich aus Mitgliedern der Selbstverwaltung der VBG zusammen. Außerdem ist ein Mitglied der VBG-Geschäftsführung sowie die Leitung des VBG-Ressorts Versicherung, Leistungen, Regress und Statistik vertreten.

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